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Lass sie fliegen, deine Fantasie.
Mitmachgeschichten (Helmut W. Brinks, Hrsg.)


Hey, ich bin Lars-Olaf. Ich erzähle dir eine Geschichte, die in
478 - 537 Metern Höhe spielt, innerhalb dieser Umrandungsmauer natürlich. Anders als jetzt war die Straße früher nur ein rumpliger Fahrweg in Richtung Südosten:


Königskinder
Eine Mitdenkgeschichte für sommersprossige Mädchen, für
fast rothaarige Jungen und für fantasievolle ältere Träumer.

Ihr früherer Kammerdiener hat mir diese Geschichte selbst erzählt. Sie, also diese Geschichte, war mir viel zu kurz, aber ich habe sie heimlich weiter-gesponnen und das kann ich dir auch empfehlen. Es wird auch nötig sein.

Der Kammerdiener hatte ihnen viele Jahre lang gedient, dem König Unkepunz und der Königin, die fünfzehn Kinder hatten: Neun Prinzen und sechs Prinzessinnen.

Die Prinzessinnen waren stolz auf ihre poetischen Namen Morgenschön, Wunderrose, Bernstein, Rosa Wolke, Silberglöckchen, Goldglöckchen und Amaryllis; die Prinzen hießen, das konnte man sich auch leicht merken: Schlauer Fuchs, Wilder Wolf, Springinsfeld, Goldjunge, Tausendsassa, Eisenherz, Schneller Falke und Starke Faust.

König Unkepunz und Königin Susanne fanden alle Namen schön und passend, aber sie konnten sich jahrelang nicht darin einigen, welches Kind nun seinen endgültigen Namen haben sollte. Deshalb verwechselten sie ziemlich oft ihre Vornamen; das passierte besonders oft dem König.

Wenn der Kammerherr Hansfranz von Höllenstein (so hieß der Mann, von dem ich dies alles weiß) also, wenn der Kammerherr Hansfranz von Höllenstein zum Beispiel Tigertapps und Rosa Wolke zum Essen rufen wollte, fand er oft gerade kein Kind, das auf diesen Namen hören wollte.

„He, hallo“, rief Herr von Höllenstein, „Rosa Wolke, komm doch endlich, die Suppe wird kalt.“
„Was denn, Hansfranz, ich bin doch Prinzessin Silberglöckchen.“
Das stimmte wieder einmal. Der Kammerherr war oft mit seiner Nervenkraft ziemlich am Ende.

Morgens um acht Uhr fünfundfünfzig begann die Schule für die Königskinder. Drei Grafenkinder durften mit ihnen zusammen lernen, und die auffallend kleine Tochter des Herzogs auch.

Die Lehrerin war die Baronin Ziegenbart und der Oberhoflehrer war Herr Dr. Fridolin von Raubenstein, den die Kinder heimlich Dr. Sauberschwein nannten – das durfte er natürlich nie hören.

Baronin Ziegenbart sagte zu den Königskindern: „So, liebe Prinzessinnen und liebe Prinzen, heute lernen wir einmal ein Lied. Und weil Prinzessin Morgenschön gestern am Sonntag Geburtstag hatte, darf sie sich aussuchen, welches Wort darin vorkommen soll.
Prinzessin Morgenschön dachte ein bisschen nach und sagte dann: „Ente. Die Ente Wackelzahn soll darin vorkommen!“
Die anderen Kinder schrien: „So´n Quatsch, es gibt doch gar kein Lied von deiner Ente Wackelzahn!“
„Na, schön“, sagte Baronin Ziegenbart, „dann machen wir eben ein Lied darüber. Ich muss drei Minuten nachdenken.“ …
„Ja, schon geschafft. Ich denke es mir so und schreibe die zwei Strophen gleich an die Tafel. Die Melodie ist ganz leicht und du darfst den Rhythmus mit deinen Zeigefingern auf den Tischplatten mittrommeln, aber ganz leise bitte:

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